Pressemiteilung
des Bundesministeriums der Justiz am 17.01.2002:
Am
1. Januar 2002 ist das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts in Kraft getreten.
Wesentliche
Punkte des Gesetzes sind:
Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von
Verträgen, Verpflichtungen und deren Verletzung sind einfacher
geregelt:
Künftig kann bei Vorliegen einer Pflichtverletzung der andere
Vertragspartner nach einer Fristsetzung von dem Vertrag zurücktreten
und bei Verschulden auch Schadensersatz verlangen.
Die
gesetzliche Gewährleistungsfrist ist jeden Käufer von 6 Monaten auf
2 Jahre ab
Ablieferung der Ware verlängert. Die meisten Verjährungsfristen betragen
künftig einheitlich 3 Jahre. In wenigen Fällen sind die
Fristen länger, z. B. 5 Jahre bei Mängeln an Bauwerken oder
30 Jahre bei Ansprüchen, die auf Gerichtsurteilen basieren.
Der Verkäufer muss
mangelfreie Ware liefern;
diese muss auch die (konkreten) Eigenschaften aufweisen, die
der Hersteller in seiner Werbung und Etikettierung
angepriesen hat, eine besondere Zusicherung durch den Verkäufer
ist nicht nötig. Für Verletzungen dieser Pflichten haftet
der Verkäufer.
Das
Schuldrecht wird insgesamt erheblich übersichtlicher. Auch Verbraucherschutzgesetze wie z.B. das Haustürwiderrufsgesetz
oder das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen sind künftig
im Bürgerlichen Gesetzbuch integriert und fallen als
Nebengesetze weg.
Künftig entspricht unser Vertragsrecht den
EU-Standards; mit diesem modernen Recht vergrößern wir
unseren Einfluss in Europa.
Bundesjustizministerin
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin:
"Mit
der Schuldrechtsmodernisierung machen wir einen weiteren
wichtigen europapolitischen Schritt zur Modernisierung unseres
Rechts. Außerdem wird das BGB leichter lesbar und behauptet
seine wichtige Bedeutung für den Alltag der Bürgerinnen und
Bürger."
Beispiele
zur Erläuterung der Verbesserungen durch die Modernisierung
des Schuldrechts
A.
Im
Verjährungsrecht
Zu
den wichtigsten Änderungen gehört die Verlängerung der Verjährungsfrist
für Mängelansprüche von bisher 6 Monaten auf 2 Jahre.
Das
wird an folgenden Beispielen deutlich:
1.
Beispiel: Herr Krause kauft kaputte Skier
Herr
Krause kauft im Januar bei Müller & Sohn im
Winterschlussverkauf ein Paar Skier für seinen
Winterunterlaub im nächsten Jahr. Als er sie im November vor
seiner Urlaubsreise erstmals anprobiert, stellt er fest, dass
die Bindungen kaputt sind.
Nach
bisherigem Recht wäre die Verjährungsfrist bereits
abgelaufen – Herr Krause könnte sich wegen der kaputten
Skibindungen nicht mehr beschweren.
Unser
neues Recht gibt ihm zwei Jahre lang die Möglichkeit, sich an
das Sportgeschäft Müller & Sohn zu wenden. Er kann also
entweder Reparatur der Bindungen oder neue Skier verlangen.
2.
Beispiel: Handwerker Fischer gerät künftig nicht mehr in die
Gewährleistungsfalle"
Herr
Krause bestellt bei Handwerker Fischer neue Edelholzfenster für
sein Haus; Fischer soll sie gleich einbauen. Der tut das,
allerdings mit Fenstern, die er nicht selbst hergestellt,
sondern bei seinem Lieferanten, dem Industriebetrieb Lange
& Sohn gekauft hat. Nach drei Jahren beschwert sich Herr
Krause mit Recht, weil es entsetzlich durch die Fenster zieht,
deren Dichtungsgummis von vornherein fehlerhaft waren.
Heute,
aber auch künftig muss
Handwerker Fischer die Fenster bei Herrn Krause reparieren,
denn die Verjährungsfrist hierfür beträgt nach wie vor 5
Jahre.
Nach
bisherigem Recht kann Handwerker Fischer jedoch seinen
Lieferanten Lange & Sohn nicht haftbar machen, obwohl der
den Fehler verursacht hat. Der Grund: der Anspruch für die
gekauften Fenster verjährt in einem halben Jahr, für den
Einbau derselben Fenster haftet der Handwerker aber 5 Jahre.
So bleibt er – das nennt man heute die "Gewährleistungsfalle"
– auf seinen Kosten für das nachträgliche Abdichten der
Fenster sitzen.
Unser
neues Recht mit
seinen abgestimmten gleichen Verjährungsfristen von 5 Jahren
ermöglicht es Handwerker Fischer, seinen Lieferanten Lange
& Sohn für ihren Pfusch verantwortlich zu machen und
seine Reparaturkosten ersetzt zu bekommen.
3.
Beispiel: Nicole kann sich wehren.
Anton
T. missbraucht Nicole, seine 6jährige Nichte. Die erzählt
das weinend ihren Eltern, die sich jedoch nicht sofort trauen,
Anton zur Rechenschaft zu ziehen, weil sie den Skandal fürchten.
Heute
würden
Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche nach 3 Jahre verjähren, nachdem Nicole ihren Eltern von dem Vorfall
berichtet hat.
Unser
neues Recht hemmt
die Verjährungsfrist in solchen Fällen, bis Nicole das 21.
Lebensjahr vollendet hat. Damit kann sich Nicole kann also
noch nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres wehren und ihre
Ansprüche geltend machen.
B.
Im
Kaufrecht
In
Zukunft kann sich ein Kunde darauf verlassen, dass die
Aussagen in Werbung und Prospekten auch gelten.
4.
Beispiel: Herr Glotz, Herr Schmidt und das
"3-Liter-Auto"
Die
Firma Töff-Töff baut ein neues Kfz-Modell, das nach der
technischen Beschreibung normalerweise 4 Liter Benzin
verbrauche, in günstigen Fällen aber auch mit 3 Litern
auskomme. Um den Verkauf weiter zu steigern, lässt sie
Hochglanzbroschüren drucken und Werbespots im Fernsehen
laufen, in denen es als "3-Liter-Auto" angepriesen
wird. Davon beeindruckt, kauft Herr Glotz bei Herrn Schmidt,
seinem Töff-Töff-Vertragshändler, ein solches Auto. Schon
nach dem ersten Tanken stellt er enttäuscht fest, dass es
nicht nur 3 Liter, sondern fast 4 Liter Benzin verbraucht.
Herr Glotz ärgert sich. Er geht zu Herrn Schmidt und will das
Auto zurückgeben, um sich ein sparsameres Modell eines
anderen Herstellers zu kaufen.
Nach
bisherigem Recht konnte sich Herr Schmidt damit
herausreden, dass jeder wissen muss, dass in der Werbung übertrieben
wird und man nicht alles glauben kann, was irgendwo steht. Er
darf darauf hinweisen, das es nur darauf ankommt, was tatsächlich
im Vertrag und in der technischen Beschreibung steht; und weil
da von einem "3-Liter-Auto" nichts steht, kann Herr
Glotz auch keine Ansprüche geltend machen.
Unser
neues Recht gibt
Herrn Glotz das Recht, das Auto zurückgeben, denn er kann
sich gegenüber dem Verkäufer Schmidt auf die Aussagen von Töff-Töff
in den Werbespots und den Hochglanzbroschüren berufen. Wenn
dort ein "3-Liter Auto" angepriesen wird, dann muss
es auch ein 3- Liter-Auto sein, darf also auch nur so viel
Benzin verbrauchen.
In
Zukunft kann ein Kunde auf einer Reparatur bestehen, wenn er
etwas Kaputtes gekauft hat. Er muss sich nicht länger mit
Umtausch oder Minderung begnügen.
5.
Beispiel: Der Kunde ist König
Klaus
freut sich darüber, dass er bei seinem Fahrradhändler
Schmidt das letzte gelbe Herrenfahrrad kaufen konnte. Als er
abends damit losfährt, stellt er fest, dass das Licht nicht
funktioniert, weil der Dynamo kaputt ist. Da ihm das Fahrrad
sonst aber sehr gut gefällt, bittet er Herrn Schmidt, den
Dynamo auszutauschen.
Nach
bisherigem Recht kann Klaus von Herrn Schmidt die
Reparatur des Fahrrades nicht verlangen. Er kann das Fahrrad
nur zurückgeben oder mit Herrn Schmidt über einen
Preisnachlass verhandeln und das kaputte Fahrrad behalten.
Dann muss er allerdings selbst reparieren oder einen neuen
Dynamo aus eigener Tasche bezahlen.
Unser
neues Recht gibt Klaus
den Anspruch, dass der kaputte Dynamo repariert wird.
Geschieht dies nicht innerhalb einer von Klaus gesetzten
Frist, kann er das Fahrrad auf Kosten von Herrn Schmidt
woanders reparieren lassen. Natürlich kann Klaus das Rad auch
zurückgeben und sich sein Geld zurückgeben lassen oder das
Rad behalten und einen Preisnachlass verlangen. Kurz: Er kann
frei wählen, was ihm am liebsten ist.
6.
Beispiel: Bauer Schlau und der Rinderwahnsinn
Bauer
Schlau kauft beim Viehhändler Herrn Voigt vier Rinder. Nach
drei Monaten stellt der Amtstierarzt bei den Rindern BSE fest.
Nach
bisherigem Recht hat Bauer Schlau gegen Herrn Voigt
keine Ansprüche, weil bei Rindern nur bestimmte Mängel
geltend gemacht werden können, zu denen die Tierkrankheit BSE
nicht gehört. Im Übrigen ist auch die Verjährungsfrist
schon abgelaufen, weil sie bei Tieren nur wenige Wochen beträgt.
Unser
neues Recht wendet
die normalen kaufrechtlichen Vorschriften an. Der Bauer könnte
deshalb die Lieferung anderer, nicht an BSE erkrankter Rinder
oder sein Geld zurück verlangen.
C.
Im
Leistungsstörungsrecht
In
Zukunft kann sich ein unzufriedener Kunde von einem Vertrag
lossagen und trotzdem Schadensersatz verlangen. Diese wichtige
Neuerung verbessert das Recht der Kunden, wenn der Händler
gar nichts tut.
7.
Beispiel: Verkaufen allein genügt nicht - es muss auch
geliefert werden
Herr
Krause hat bei Herrn Schmidt einen wertvollen Schreibtisch für
sein Arbeitszimmer als Sonderangebot zu einem günstigen Preis
gekauft. Der Schreibtisch wird nicht geliefert. Herrn Krause
ruft an und bittet auch schriftlich, den Schreibtisch nun
endlich zu bringen. Herrn Schmidt wird das zu anstrengend.
Schließlich sagt er Herrn Krause, er könne den Schreibtisch
nicht liefern, weil er gerade keinen LkW zur Verfügung habe.
Daraufhin erklärt Herr Krause voller Ärger, dass es ihm nun
auch reicht und er mit Herrn Schmidt nichts mehr zu tun haben
will. Als er versucht, den gleichen Schreibtisch anderswo zu
kaufen, muss er aber feststellen, dass dieser überall viel
teurer ist als bei Herrn Schmidt. Da er ihm aber so gut gefällt,
kauft er ihn dennoch woanders. Den höheren Preis möchte er
von Herrn Schmidt erstattet erhalten.
Nach
geltendem Recht kann Herr Krause von Herrn Schmidt
nichts verlangen, denn er ist vom Vertrag zurückgetreten und
kann deshalb keinen Schadensersatz verlangen. Unser neues
Recht ändert diese Rechtslage: Herr Krause kann den
Mehrpreis auch dann verlangen, wenn er selbst vom Vertrag zurückgetreten
ist.